15.09.2010

Neue FAO-Zahlen: Noch immer hungern 925 Millionen Menschen

Kurz vor dem Weltarmutsgipfel in New York hat die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) neue Zahlen bekannt gegeben: Laut einer gestern in Rom veröffentlichten Studie hungern in den Entwicklungsländern noch immer 16 Prozent der Bevölkerung. Weltweit sind es 925 Millionen Menschen. Die Zahl der an Hunger leidenden Menschen ist damit im Vergleich zum Vorjahr zwar um 98 Millionen gesunken, von einer Entwarnung kann jedoch nicht die Rede sein: „Die Zahl der Hungernden ist weiterhin unakzeptabel hoch", erklärte der FAO-Generaldirektor Jacques Diouf gestern in Rom.


Laut der FAO besteht zehn Jahre nach der Verabschiedung der Millenniumsziele ein ernstes Risiko, das erste Ziel zu verfehlen. Diouf rief die Weltgemeinschaft deswegen dazu auf, das Gipfeltreffen kommende Woche in New York zu nutzen: „Wir wissen, was zu tun ist, und wie es zu tun ist. Wir dürfen die Gelegenheit nicht vertun", erkärte er. Noch sei die Welt weit davon entfernt, den Anteil der Hungernden bis 2015 zu halbieren. Zudem bringe das Verfehlen des Ernährungsziels „auch die Umsetzung der anderen Millenniumsziele in Gefahr.“

Grund für die schlechte Ernährungslage der Welt sind laut der FAO die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und die anhaltend hohen Preise für Lebensmittel. Zum einen fehle es den Armen an Kaufkraft, zum anderen können die Bauern nach wie vor nicht mit den Dumpingpreisen bei Agrarprodukten aus reichen Länder zu konkurrieren. „Die Bauern in den ärmsten Ländern sind nicht in der Lage, den nationalen Bedarf zu decken, während die Landwirte der Industriestaaten hohe Überschüsse produzieren, die in den Export gehen“, so Diouf. Die gravierenden Auswirkungen der Krise hätten zudem gezeigt, dass es eine bessere soziale Absicherung der Ärmsten geben muss.

Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam erklärte, dass der Rückgang der Hungerzahlen keinen Anlass zur Entwarnung gebe. Die zurückgegangenen Zahlen sind laut Oxfam vor allem auf zwei gute Ernten und nicht auf politisches Eingreifen oder mehr Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft zurückzuführen. „Um den Hunger bis 2015 zu halbieren, müssen jetzt konsequent seine Ursachen bekämpft werden", erklärt Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Mit einer kohärenten Politik und besserer Entwicklungshilfe sei die Halbierung des Hungers bis 2015 noch zu schaffen. Neben höheren Investitionen in die Landwirtschaft, fordert Wiggerthale die Abschaffung unfairer Handelsregeln sowie eine stärkere Bekämpfung des Klimawandels.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte indes auf einem Vorbereitungstreffen im Kanzleramt, dass neben der Bereitstellung von ausreichend finanziellen Mitteln, die Wirksamkeit der Hilfe entscheidend sei: „Das Geld ist wichtig. Aber es geht auch darum, wie dieses Geld eingesetzt wird.“ Die Kanzlerin unterstrich, dass die Geberländer genauso in der Pflicht stünden wie jene Staaten, die Hilfe empfangen. „Jedes Land muss einen Entwicklungsplan haben, und dieser Entwicklungsplan muss von diesem Land selbst umgesetzt werden. Denn nur, wenn das Land und seine Menschen die Ziele teilen, kann man das überhaupt erreichen.“ Merkel selbst wird vom 20. bis 22. September am Weltarmutsgipfel teilnehmen.

Die Leiterin der UN-Millenniumkampagne, Dr. Renée Ernst, fordert die Bundesregierung auf, sich beim diesjährigen Bilanzgipfel für eine Trendwende bei der Hunger- und Armutsbekämpfung einzusetzen. Es gehe nicht darum, eine weitere zahnlose Resolution zu unterzeichnen, sondern eine verbindliche Abschlussresolution zu verabschieden und die alten Zusagen endlich einzuhalten. „Frau Merkel betont, dass die Qualität und die Quantität der Hilfe gleichsam wichtig sind. Jetzt muss sie in New York einen konkreten Aktionsplan vorlegen, der die Mittelzusagen fixiert und konkret die Maßnahmen der Regierungen aus den Entwicklungsländern benennt. Dazu bedarf es konkrete Zeitpläne, damit sich die Industrienationen endlich an ihre Versprechen halten.“

Nur durch eine größere politische Kohärenz zwischen allen relevanten Politikressorts (Wirtschaft, Handel, Finanzen, Landwirtschaft, Energie und Klima) könne Entwicklung  nachhaltig gestaltet und gefördert werden. „Entwicklungspolitik alleine reicht nicht zur Hunger- und Armutsbekämpfung aus. Auch dieser Aspekt muss in der Resolution berücksichtigt werden.“

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